Meine letzten Tage in Mae Sot vergingen wie im Flug. Die geborgte Nähmaschine hatte Anklang auch im Office gefunden. Ann nähte zusammen mit ihrer Freundin Pi Wat einen ersten Entwurf für die zukünftigen Schuluniformen. (Ich musste mir eingestehen, dass ich im Vergleich zu ihr keine nennenswerten Kenntnisse im Nähen habe!) Diese Uniformen sollen schließlich von den Eltern der Flüchtlingsfamilien, deren Kinder die von „Helfen-ohne-Grenzen“ unterstützten Schulen in Thailand besuchen, hergestellt werden. Die meisten dieser Erwachsenen haben keine Beschäftigung - geschweige denn Arbeit. Das thailändische Gesetz erlaubt es nicht, dass Flüchtlinge „einfach so“ Geld verdienen. Dafür benötigen sie ein „Workpermit“ (Arbeitserlaubnis) und dafür braucht man wiederum Geld – wer keines hat, darf somit auch nicht arbeiten. Auf was für Ideen würde unser einer in einer solchen dürftigen Situation kommen?
Es wollte und sollte noch viel erledigt werden! Denn schließlich war das hier der Hauptteil meiner Recherche. Was sollte es mir bringen, wenn ich die meiste Zeit im Office verbringe und mich mit Frage herumschlage wie z.B. „Wie kann ich den Rucksack noch effizienter designen“?
In der Zwischenzeit hatte ich dank Chaung Ku einen Betrieb gefunden, der mir meine wasserdichte Hülle nähen würde. Doch der Auftragnehmer wollte „one week!“ weil „many work!“, denn in der Trockenzeit flickte man hier seine Löcher, reparierte seine Dächer und bereitete sich auch sonst auf die kommenden Wassermassen und noch viel mehr auf die hohe Luftfeuchtigkeit vor. Diese kroch einem nicht nur in die Cornflakes hinein, sondern überall.
Weiter hatte ich auch eine Bestellung bei der Bamboofactory aufgegeben. Der freundliche Fabrikbesitzer zeigte mir bei meinem dritten Besuch die Fertigungsstätten. Als ich ihn höflich fragte ob ich denn Fotos machen dürfte, antwortete er mit einem strahlenden und gleichzeitig gequälten Lächeln: „No, sorry.“ Warum er das nicht wollte, fand ich ein paar Augenblicke später heraus. In der Fabrik arbeiteten fast ausschließlich Burmesen. Ich kenne die Holzwerkstatt der Bozener Uni recht gut und weiß auch, was die offiziellen Sicherheitsmaßnahmen besagen. Doch was ich hier zu sehen bekam, überraschte mich dann doch:
Objekte wie Augen-, Ohren-, Fingerschutz oder andere Protektoren schienen diesen Leute hier unbekannt zu sein. Beim Arbeiten mit offenen Bohrmaschinen sowie Kreissägen in Flipflops, beim Schleifen und Lackieren ohne Mundschutz lächelten dich die Leute an, als wäre die Welt heile. Das bei einer sieben Tage Woche und bei einem für uns wirklich lächerlichen Verdienst!
Nicht, dass der Fabrikbesitzer ein Unmensch gewesen wäre, nein, diese Umstände waren hier ganz „normal“ und gehörten zum Alltag. Doch erschreckend war es dennoch, weil man wusste, dass dies keine Ausnahme war.
Am Samstag konnte ich schließlich den Regenschutz für den Schulranzen fertig gestellt bekommen. Letztendlich bestellte mich der Chef zur Werksatt, damit ich ihm das Material zuschnitt, weil er einige Probleme hatte, meine Zeichnung richtig zu verstehen und zu deuten. Innerhalb kürzester Zeit hatte sein Näher die Klettverschlüsse angenäht.
Das Baumwollinlet gab ich der Produktentwicklerin von WEAVE. Sie wird mit diesem eher laienhaft vernähten Entwurf ins „Mae La“ Flüchtlingslager (Siehe „Post 2 Mae Sot“) fahren und die Machbarkeit mit den Frauen besprechen und etwaige Ideen einholen.
Sonntagnachmittag ging ich zum letzten Mal in die Bambusfabrik, um meine „Bamboosticks“ abzuholen. Das Material bekam ich zu einem sehr fairen Preis, da der Inhaber meine Idee unterstützen wollte. Das hat mich gefreut.
Sonntag besuchte ich zusammen mit Lena, Chaung Ku und Orn ein Meeting der vier HWF-Schulen auf der Thailändischen Seite. Es waren alle Schulleiter und einige andere Lehrer anwesend. So nutzte ich die Gelegenheit, ihnen meinen ersten Prototypen zu zeigen und sie um ihre Ideen zu fragen. Das war ein sehr produktives und klärendes Treffen!
Am Abend fuhr ich schließlich mit dem Übernachtbus nach Bangkok und rundete mit drei Tagen Urlaub meine Zeit in Thailand ab.
Hiermit danke ich Benno und seinem HWF-Team für alle Hilfe, die ich so freizügig von ihnen erhalten habe. Es war eine wundervolle Zeit!
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