Sonntag, 24. Februar 2008

Mae La Oon - Eindrücke


Dass ich mich in einer anderen Welt befinde, 
habe ich diese Woche ernüchternd feststellen dürfen. 
 
Mae La Oon
Für diesen Trip war es die ideale Vorbereitung, dass ich an meinem ersten Tag hier, Thailands größtes und ältestes Flüchtlingslager Mae La ansehen durfte. Denn am Mittwoch Morgen fuhr
en wir zu neunt mit dem vollbeladenen „Helfen ohne Grenzen“-Pickup acht Stunden nach Mae La Oon. Unser Team bestand aus dem Vorsitzenden von Helfen ohne Grenzen (H.O.G.) Benno Röggla, Ann (Vorsitzende von H.O.G.-Thailand, Thai), Chaung Ku (Mitarbeiterin, Karen), Lena (freiwillige Mitarbeiterin, deutsch), Orn (Volunteer, Thai), Agnese (ital. Englischlehrerin), Massimiliano (ital. Fotograf), Ywa Hay (ZOA-Mitarbeiter, Karen) und mir. Die letzten drei Stunden ging es über eine buckelige nicht asphaltiere und extrem staubige Erdstraße durch bergiges Dschungelgelände. Mit einem weichgeklopften Hinter kamen wir kurz vor der Dämmerung, in einem dicht bewaldeten Dschungeltal, in der Mitte vom Nirgendwo an. Ohne unseren „Guide“ Ywa Hay hätten wir dieses Versteck niemals gefunden. Unser Besuch benötigte die entsprechende Vorbereitung. Benno musste schon einen halben Monat bevor wir kamen unsere Passkopien eingereicht haben, damit wir an den verschiedenen Schrankenkontrollen, die seit dem Mord in der vergangenen Woche enorm intensiviert wurden, vorbei gelassen wurden. 
 
Mae La Oon beherbergt ca. 16.000 Flüchtlinge davon sind knapp 7.000 Kinder und Jugendliche die in die Schule gehen. Jeden Monat kommen ca. 280 neue Flüchtlinge dazu, doch das Camp hat kein Aufnahmelimit. Rund um das Camp sind über 160 Sicherheitskräfte eingesetzt um sich vor einem Angriff zu schützen. Die Menschen leben in den besagten Bambushütten, deren Dächer mit  getrockneten Blättern des Teakbaums gedeckt werden. Der Hygienestandard ist nicht sehr hoch, doch die Menschen sind zäh und haben schon einiges erlebt. Zumindest haben sich die Flüchtlinge hier auf der thailändischen Seite weniger zu fürchten als jene Flüchtlinge auf der burmesischen Seite in den so genannten „Free-Fire-Zones“, in denen, wie es der Name schon sagt, frei geschossen werden darf. Auch wenn es bis zur Grenze Luftlinie ca. 6 km gewesen wären, waren wir froh auf der thailändischen Seite zu sein.
 
Für einen Designer der sich auf der Suche nach Problemen und Aufgabenstellungen befindet, ist ein solches Camp ein gefundenes Fressen. Doch stellt sich mir immer wieder die Frage: „Braucht's denn des?“ Ebenso unterschätzt man leicht, so geht es mir auch, unter was für Umständen die Leute hier leben und arbeiten bzw. sich beschäftigen.
Offiziell arbeiten darf in Thailand keiner von den Karen-Flüchtlingen. Sie werden geduldet. Ebenso erschwert die Infrastruktur die westliche und hier nicht integrierbare Denkweise, denn hier laufen die Dinge nunmal einfach ganz anders als bei uns in der heilen und wunderbar funktionierenden Welt. Leider gibt es hier keinen Kurierservice der mal eben drei Stunden über eine staubige bzw. in der Regenzeit extrem schlammige „Buckelpiste“ fährt um dir ein Ersatzteil für deine „Designprojekt“ oder was es auch sein mag, bringt. Eine Herausforderung, die ich zuvor unterschätzt hatte.
 
Untergebracht wurden wir im „Mae La Oon Guesthouse“, was schon an sich eine Paradoxie ist. Denn für dortige Verhältnisse war Bambushütte mit separaten Schlafkammern für je zwei Personen, einer Schlafmatte, ein paar Decken, Kopfkissen und Moskitonetz einfach gesagt absoluter Luxus. Im Lager besteht akute Malariagefahr, daher mussten wir besonders aufpassen und uns regelmäßig Mückenmittel auftragen. Gekocht haben wir selber in der großräumigen, dennoch sehr spartanischen Küche der Versammlungshütte. Chaung Ku verwöhnte uns mit köstlicher traditioneller Karenküche.
 
Am Donnerstag besuchten wir am Vormittag eine Bibliothek, welche von H.O.G. unterstützt wird. Nach dem Mittagessen, was hier immer sehr regelmäßig um 12 Uhr eingenommen wird, was ich sonst nur von meiner Oma kenne, hatten wir ein Meeting mit der Lagerleitung. Später kamen neun blinde Flüchtlinge im Alter von 20 bis 65 dazu, von denen fast alle durch Minen erblindet sind und teilweise Gliedmaßen verloren hatten. Jeder von ihnen erzählte uns seine Geschichte und wir erfragten, was sie gerne machen würden um etwas Geld verdienen zu können. Viele hatten den Wunsch ein Schwein zu besitzen  oder einen Shop zusammen mit ihrer Familie zu betreiben. Teilweise sind die Männer Väter von 4 bis 5 Kindern. Nahrungsmittel werden von der ZOA, welche übrigens der einzige Geldgeber für dieses Camp ist, gestellt. Darin sind Reis, Öl, Fischpaste und Bohnen beinhaltet. Den Rest müssen sich die Leute selbst beschaffen. Zu jagen gibt es im den leer geplünderten Dschungel wenig.Einer der Blinden hatte den Wunsch mit Bambus zu arbeiten, da er sehr gut mit dem Material umgehen konnte. Das Problem dabei ist, dass die Flüchtlinge in Thailand keinen Bambus schneiden dürfen, da es dazu eine „Permission“ braucht. Den Bambus wie Nahrungsmittel bekommen sie vom Thailand Burma Border Consortium (TBBC), die sich ihrer annehmen. 
Das Meeting wurde schließlich mit einer kleinen Spendenausgabe in Form von Kleidung und Kuscheltieren von H.O.G. beendet.
 
Am Nachmittag wurden wir von unserem „Guide“ Ywa Hay durch das Lager geführt, wir besichtigten einen „Computerraum“ in der Schule und wurden schließlich in seinem Haus/Hütte eingeladen. Auch wenn man in Mitten ihrer Hütten steht, ist es schwierig sich in das Leben der Menschen hier hineinzuversetzen.
So beschäftigt mich momentan die Frage:
 
Ist den Menschen hier wirklich mit einem wasserdichten Schulranzen etwas geholfen?

1 Kommentar:

InsideOut hat gesagt…

Die Frage habe ich mir auch gestellt, als ich von deinem Projekt erfahren habe. Antworten gibt es wenige in der Entwicklungszusammenarbeit, nur viele Fragen. Auf alle Fälle viel Erfolg.

Franziska